DivSpace: Mobile Diversitätswerkstatt Kindheitspädagogik

April 2022-September 2023 (Förderlinie Innovation Plus)

Die mobile Diversitätswerkstatt Kindheitspädagogik DivSpace untersucht, inwiefern diversitätsthematisierende Spiel- und Beschäftigungsmaterialien, geeignet sind, Diversitätsreflexivität an kindheitspädagogische Fachkräfte zu vermitteln und wie diese methodisch in der pädagogischen Praxis eingesetzt werden können. Damit bearbeitet DivSpace eine Forschungslücke, denn obgleich pädagogisches Spielmaterial seit langem in der Kindheit eine hohe Bedeutung einnimmt, ist dieses wenig untersucht und beforscht. Ebenso liegen bisher keine Konzepte zur kindheitspädagogischen Qualifizierung hinsichtlich Diversitätsreflexivität vor. Unter Diversitätsreflexivität wird das Wissen um die pädagogische Bedeutung von Differenzkonstruktionen sowie um deren Wirkung auf Subjekte gefasst. Studien betonen die hohe Bedeutung von Diversitätsreflexivität für die kindheitspädagogische Professionalisierung. Um diese zu erreichen, wird das Projekt DivSpace Materialien in Bezug auf theoretische Konzepte analysieren, bewerten und Handlungspläne für einen diversitätsreflexiven Materialumgang im Rahmen kollaborativen Lernens entwerfen. Ergebnis wird der Entwurf, die Erprobung und die nachhaltige Bereitstellung des Lehrkonzepts einer Diversitätswerkstatt Kindheitspädagogik sowohl online als auch offline sein.

Durch einen materialbezogenen, analytischen und spielerischen Zugang zu den Dingen selbst, setzt DivSpace die modular verankerten Themenbereiche Kindheit und Diversität in Beziehung zu theoretischen, didaktischen und pädagogisch-konzeptionellen Fragen. Durch das kollaborative Lehr-Lern-Konzept werden multiperspektivische Materialerkundungen ermöglicht, die das Verhältnis von Diversität, Materialität, Didaktik und das damit verbundene Gerüst pädagogischer Normativität im Spannungsverhältnis zu Normalisierung, Empowerment und Dekonstruktion aufwerfen. Die Materialien stehen einerseits analog in Materialboxen und andererseits durch einen webbasierten Zugang  zur Verfügung. Auf der Grundlage von Musteranalysen werden verschiedene forschungsbasierte Zugänge zum Material gemeinsam mit den Lernenden hergestellt und so das Spannungsverhältnis zwischen Mensch, Ding und Raum fokussiert.

Die Ergebnisse werden in Form eines öffentlich zugänglichen Portals zum Materialkatalog, den theoretischen Zugängen, wie auch Musteranalysen transportiert und über Social Media beworben. Das entwickelte, erprobte und evaluierte Lehr-Lern-Konzept wird auf einem OER-Portal bereit gestellt.

Literatur

Baar, R. (2020). Spielend zur Professionalität? Der Einsatz von Spielen in der Lehrkräftebildung unter professionalisierungstheoretischer Perspektive. In U. Stadler-Altmann (Hrsg.), Spielen, Lernen, Arbeiten in Lernwerkstätten. Facetten der Kooperation und Kollaboration (S. 17–28) [S.l.]: Verlag Julius Klinkhardt.

Boger, M.‑A. (2019). Theorien der Inklusion. Die Theorie der trilemmatischen Inklusion zum Mitdenken (Theorie der trilemmatischen Inklusion, Bd. 4, 1. Auflage). Münster: edition assemblage.

Bree, S., Schomaker, C., Krankenhagen, J. & Mohr, K. (2015). Gemeinsam von und mit den Dingen lernen (nifbe Themenheft Nr. 27). nifbe.

Jung, E. & Kaiser, L. S. (2018). Dem „Verwendungs- und Bedeutungsoffenen“ einen Sinn geben. Interpretative Videoanalyse individueller Sinnkonstruktionen von Kindern in der Auseinandersetzung mit Remidamaterial. In D. Weltzien, H. Wadepohl, I. Nentwig-Gesemann, P. Cloos, R. Haderlein, J. Bensel et al. (Hrsg.), Forschung in der Frühpädagogik 11. Die Dinge und der Raum. (Materialien zur Frühpädagogik, Band 22, S. 97–135). Freiburg: FEL Verlag.

Lueger, M. & Froschauer, U. (2018). Artefaktanalyse. Grundlagen und Verfahren. Springer Fachmedien Wiesbaden.

Gender(de)konstruktionen im kindheitspädagogischen Alltag. Deutungsmuster von pädagogischen Fachkräften in der Krippe

2013- 2022 (Dissertationsprojekt)

In meinem Dissertationsprojekt untersuche ich mit Stimulated-Recall-Interviews (Dempsey 2010) in einem konstruktivistischen Grounded Theory Design (Charmaz 2014) die Deutungsmuster von pädagogischen Fachkräften in der Krippe in Bezug auf die Kategorie Geschlecht. Hintergrund ist dabei der Diskurs um Geschlechtergerechtigkeit in Kindertageseinrichtungen, die als Qualitätsdimension in vielen Bildungsplänen verankert ist. Gleichsam wird der fachliche Diskurs um die Umsetzung in Kindertagesbetreuung selbst auf die Auswahl des Fachpersonals und dessen Geschlecht reduziert (Sabla/Rohde 2013). Dies hat zur Konsequenz, dass geschlechtertheoretisch die Stereotype von Frauen* und Männern* reproduziert und somit verstärkt werden (Wetterer/Gildemeister 1992). Über die Einstellungen zu Geschlecht bei pädagogischen Fachkräften ist dabei nur wenig empirisch bekannt (Kubandt 2016). Das Projekt untersucht dabei Fachkräfte im Krippenbereich, wo die Kinder im Durchschnitt erst mit etwa drei Jahren das eigene und das Geschlecht anderer Personen sicher bestimmen können (Kasüschke 2008). Die Deutungen der Fachkräfte hinsichtlich des Geschlechts wird dabei umso relevanter, da diese Konstruktionen gestalten und alternative Angebote machen können. Über die Interviews werden die kollektiven Einstellungen und Deutungen rekonstruiert.

Die fokussierte Fragestellung, welche Deutungsmuster die pädagogischen Fachkräfte in der Krippe in Bezug auf das Geschlecht zeigen, konnte hinreichend beantwortet werden in der Studie, die Stimulated-Recall-Interviews (Dempsey 2010) mit einer konstruktivistischen Grounded Theory (Charmaz 2014) bearbeitet hat (Garbade 2020). Mit dem Deutungsmuster der pädagogischen Irrelevanzdemonstration konnte herausgestellt werden, dass unterschiedliche Mechanismen die Irrelevanz des Geschlechts bekräftigen und sicherstellen, dass die Kategorie Geschlecht im Pädagogischen nicht als zu bearbeiten relevant wird. Die Ergebnisse bieten einen Blick auf das paradigmatische Modell und die unterschiedlichen Dimensionen des Deutungsmusters. Zudem werden mit Blick auf die Ergebnisse Fragen der Professionalisierungsfolgenforschung (Neumann 2014) aufgeworfen.

Literatur
Charmaz, K. (2014): Constructing Grounded Theory. 2. Auflage. Los Angeles: SAGE.
Dempsey, N. (2010): Stimulated Recall Interviews in Ethnography. In: Qualitative Sociology, S. 349–367.
Garbade, S. (2020): Interviews und Genderkonstruktionen: Rekapitulation zu Möglichkeiten und Grenzen eines empirischen Zugangs. In: Kubandt, M./Schütz, J. (Hrsg.): Methoden und Methodologien in der erziehungswissenschaftlichen Geschlechterforschung. Opladen u.a.: Verlag Barbara Budrich. S. 84–106.
Neumann, S. (2014): Bildungskindheit als Professionalisierungsprojekt. Zum Programm einer kindheitspädagogischen Professionalisierungs(folgen)forschung. In: Betz, T./Cloos, P. (Hrsg.): Kindheit und Profession. Konturen und Befunde eines Forschungsfeldes. Weinheim: Beltz Juventa. S. 145–159.

Kindheit und Kindsein während der COVID-19-Pandemie: Kindliche Perspektiven auf den familiären (Bildungs-)Alltag

2020- 2021 (gemeinsam mit Jennifer Carnin)

Das Projekt untersucht aus kindheitstheoretischer Perspektive den familiären Alltag während der gesellschaftlichen Schließungsmaßnahmen im April 2020 im Rahmen der beginnenden Covid-19-Pandemie. Die Maßnahmen hatten große Auswirkungen auf den familiären Alltag, da die üblichen Betreuungsarrangements nicht mehr in Anspruch genommen werden konnten. Zugleich sind die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung stark eingeschränkt und erwachsene Care-Tätige sehen sich prekären Arbeitsbedingungen gegenüber, die die Verhältnisse von Erwerbs- und Carearbeit neu justieren. Das Projekt verfolgt einen partizipativen Ansatz, da die öffentlichen Diskurse zumeist ÜBER Kinder geführt werden, anstatt kindliche Perspektiven in die Lösungsfindung mit einzubeziehen. Insbesondere für junge Kinder unter 12 Jahren ist die Sprachmacht im digitalen Raum erschwert. Das Projekt versteht sich als arts-based-research und ist angelehnt an die Methode des PhotoVoice (Baker/Wang 2006). Hierzu wurden im April 2020 elf Kinder mit Kameras ausgestattet, um ihren (familiären) Alltag zu dokumentieren. Ergänzend wurden ausgewählte Interviews durchgeführt. Es liegt ein umfangreicher, diverser und ästhetisch hochwertiger Datenkorpus vor, der ästhetisch-visuelle Daten mit Interviewdaten verknüpft. Dieser wird vor einem kindheits- und praxistheoretischen Hintergrund (Honig 2018; Schatzki 2010; 1996) mittels kontruktivistischer Grounded Theory Methodology (Charmaz 2014) ausgewertet.

Literatur

Baker, T. A./Wang, C. C. (2006): Photovoice: Use of a Participatory Action Reasearch Method to Explore the Chronic Pain Experince in Older Adults. In: Qualitative Health Research, Vol. 16 No. 10, Sage Publications, S. 1405-1413.
Charmaz, K. (2014): Constructing Grounded Theory. 2. Auflage. Los Angeles: SAGE.
Honig, M.-S. (2018): Kindheit als praxeologisches Konzept. Von der generationalen Ordnung zu generationierenden Praktiken. In: Budde, J./Bittner, M./Bossen, A./Rißler, G. (Hrsg.): Konturen praxistheoretischer Erziehungswissenschaft. Weinheim: Beltz Juventa. S. 193-209.
Schatzki, T.R. (1996): Social Practices: A Wittgensteinian Approach to Human Activity and the Social. Cambridge: Cambridge Univ. Press.
Schatzki, T.R. (2010): The Time Space of Human Activity: On Performance, Society, and History as Indeterminate Teleological Events. Plymouth: Lexington Books.