Dissertation und die Endkorrekturen eines Textes – Was einem keine*r sagt!

Die Endkorrekturen in der Dissertation werden in Zeitplänen gern mit einem Monat oder vielleicht zwei angegeben… Tja, was soll ich sagen: jeder Endkorrekturprozess ist individuell. Vielleicht hilft aber dieser Erfahrungsbericht besser den Zeitraum für die Korrekturphase einzuschätzen und für deine eigene Endkorrektur etwas mitzunehmen. Zum Zeitpunkt des Beitrags ist die Endkorrektur meiner Dissertation noch nicht abgeschlossen, dieser Beitrag ist also ein Prozessergebnis.

Alle haben etwas dazu zu sagen: und das ist gut so!

Der Vorteil am wissenschaftlichen Prozess ist, dass die Menschen tatsächlich eine Position und Anmerkungen haben. Tatsächlich ausnahmslos. Und das ist toll! Jede*r hat eine Perspektive auf den Forschungsgegenstand, alle haben bereits Erfahrungen mit methodischen oder theoretischen Arbeitsweisen gemacht und teilen diese Erfahrungen auch sehr gern. Wichtig ist hier einerseits, sich bewusst zu machen, dass die Antwort: „Der Text ist perfekt, du hast die theoretische Tiefe und methodische Güte völlig erreicht“ niemals die sein wird, die man nach Feedbackwünschen bekommt. Wenn sie doch kommt, sollte sie erst einmal Misstrauen hervorrufen. Vielleicht arbeitet die Person noch nicht lange in der Wissenschaft und ist unsicher, ob das Feedback gewünscht ist. Vielleicht hatte sie keine Zeit den Text umfassend zu lesen. Denn: in der Wissenschaft werden die Personen daraufhin sozialisiert, ein Feedback zu geben. Überlege dir dennoch, welche Perspektiven und welches Feedback für dich hilfreich und annehmbar sind. Das kannst du auch steuern, indem du konkrete Leseaufträge verteilst:

  • Ist der Text verständlich?
  • Kannst du meine Kernaussage benennen?
  • Ist die Argumentation nachvollziehbar?

Mit solchen und ähnlichen leseleitenden Fragestellungen kannst du das Feedback steuern und gibst den Personen eine Richtung. Schließlich gibst du ihnen im Idealfall große Kapitel oder sogar die ganze Arbeit. Da fällt es auch gestandenen Wissenschaftler*innen schwer, den Überblick zu behalten.

Wer kommt infrage zum Korrekturlesen? Brauche ich gar ein Lektorat?

In meinem Fall sind es viele andere Promovierende gewesen, die meinen Text Korrektur gelesen haben. Auch zwei studentische Hilfskräfte im Masterstudiengang waren damit befasst. Ich habe mich gegen ein Lektorat entschieden. Erster Grund war der Preis. Zweiter Grund war die Sorge um den Aufwand die „richtige Person“ zu finden. Mit fachlichem Background, wertschätzender Kommunikation und dem persönlichen Draht zu mir. Da ich ein so großes Netzwerk habe und viele gern meine Arbeit lesen wollten, habe ich mich für den Weg des geringeren Widerstands entschieden. Das hängt aber stark von den eigenen Ressourcen und Lebensumständen ab. Ein Gespräch mit Erstbetreuenden und Personen mit Veröffentlichungserfahrungen können unterstützen, sich selbst eine Meinung zu bilden. Zusammenfassend, wer kommt infrage?

  1. Professionelle Lektor*innen
  2. Andere Promovierende
  3. Stud. Hilfskräfte
  4. Personen aus dem nahen Umfeld (z.B. für Sprache, Rechtschreibung)

Bereichsclustern zum Korrekturlesen: eine Möglichkeit, aber schwierig umzusetzen

Ich habe einmal den Vorschlag bekommen nach Feedbackkategorien zu clustern. Sprich: wer kann fachliches Feedback geben? Wer kann sprachlich gut mit Worten umgehen? Wer kennt sich mit Rechtschreibung aus? Dies gestaltete sich in meinem Fall jedoch recht schwierig. Die kindheitspädagogische Forschung hat ein spezifisches Vokabular und auch der Sprachduktus ist ein spezieller. Die Rechtschreibkorrektur durch eine Person außerhalb des fachlichen Kontextes endete darin, dass diese sagte, sie könne den Text lesen, wisse aber nicht mehr genau wovon er handele. Das ist kein Ausdruck des Unvermögens dieser Person oder meiner unverständlichen Schreibweise… vielmehr zeigt sich hier, dass ab einer bestimmten Komplexitätsrate fachlich gegengelesen werden muss.

Empfehlung: (Lese- und Arbeits)Cluster bilden

In meiner Arbeitspraxis hat es sich bisher bewährt, meine Netzwerke von anderen Wissenschaftler*innen in der Promotionsphase zu nutzen. Dies ist ein Geben und Nehmen, das auch Arbeit und Aufwand bedeutet. Jedoch denke ich, dass die Abkürzung manchmal nicht der kürzeste Weg zum Ziel ist. Ich lese also die Artikel und Kapitel anderer und diese lesen meine. Der Vorteil ist, dass ich Menschen habe, denen ich ein Handlungsproblem in meiner Arbeit kurz per Telefon beschreiben kann und diese kennen sich aus. Ich arbeite damit fast in einem Team. Zudem lese ich viele tolle Kapitel und Texte und lerne dabei selbst viel über das wissenschaftliche Schreiben. Der Nachteil ist, dass auch diese Menschen irgendwann zu nah an der Materie dran sind und das Feedback weniger befremdet ist. Dann können aber immer noch Begutachtende oder externe Personen hinzugezogen werden. Externe Personen können auch fachlich versierte Personen sein. Vielleicht hat sich jemand auf einer Tagung für euer Projekt interessiert? Vielleicht ist euch jemand in einem Mailverteiler aufgefallen, der zu ähnlichen Themen arbeitet? Hier kann eine Vernetzung neue Perspektiven auf euren Text eröffnen.

Nicht zuletzt: Ermutigung

Ja, der Prozess dauert lang. Gerade in der Erziehungswissenschaft mit qualitativen Forschungsmethoden brauchen Erhebungen und Auswertungen Zeit. Auch die Endkorrektur braucht es. Bleibt dran und vernetzt euch, das hilft das Einsamkeitsgefühl zu vermeiden und sorgt dafür, dass ihr euch mit anderen kollektiviert. Allzu oft denken wir, dass wir nicht gut genug sind. Aber das stimmt nicht. Ihr schafft das!

One thought on “Dissertation und die Endkorrekturen eines Textes – Was einem keine*r sagt!

  1. Liebe Svenja,

    vielen Dank für deinen Einblick in deinen Arbeitsalltag und damit verbundenen Reflexionsprozesse. Ich kann nur sagen, dass ich ähnliche Erfahrungen gemacht habe und daher Dir auch nur zustimmen: Da hast du absolut Recht und ich stimme Dir zu (ganz ohne Kritik ;)).

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