Arbeitsalltag in der Wissenschaft (Teil I): zwischen Wollen und Können und Müssen und Sollen

Wir wissen es schon länger: die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sind herausfordernd. Das liegt einerseits an den projekthaften Vertragsverhältnissen, die Entfristungen erschweren und damit niemals zwischen den Semestern Ruhepausen einkehren lassen und auch an dem Gegenstand der Wissenschaft, der Arbeitsweise und den intensiven Prozessen, die diese erfordern. Auf erstere Dynamiken möchte ich in diesem Blogbeitrag nicht eingehen, verweise jedoch gern auf das Statement der „Nachwuchsgruppe Pädagogik frühe Kindheit“ und auch die Arbeit der Gruppe NGAWiss (Netzwerk für gute Arbeit in der Wissenschaft). In diesem Beitrag geht es zuerst einmal darum, den Arbeitsalltag in der Wissenschaft zu fassen und ihn aus meiner Perspektive zu beschreiben. In einem weiteren Beitrag möchte ich dann Methoden aufzeigen, die ich als hilfreich empfinde. Dies alles aus meiner Perspektive und mit keinem Anspruch auf Vollständigkeit. Ich freue mich über weitere Empfehlungen oder Beschreibungen in den Kommentaren.

Eine Woche voller Dinge

Montag, 08:00 Uhr. Normalerweise ein Grund ins Büro zu fahren. Derzeit sitze ich aber um diese Zeit am Schreibtisch und beginne die Aufgaben der Woche zu planen. Zudem ist Montags mein Forschungstag und ich bearbeite anstehende Projekte wie Dissertationen, Artikel, Vorträge. Je nach Arbeitsstand steht hier also Lesen, Schreiben oder Rekonstruieren auf dem Plan. Zudem muss die Lehrveranstaltung für den nächsten Tag vorbereitet werden. Dienstag: 1. Seminartag, es gibt vier in der Woche. Ich halte das Seminar, bereite eben jenes nach und widme mich den Inhalten für den morgigen Seminartag. Texte und Struktur wurden zum Glück während der vorlesungsfreien Zeit erarbeitet. Später noch Sprechstunde mit Studierenden, Beratungen für Abschlussarbeiten. Mittwoch: 2. Seminartag. Erneut das Spiel: Seminar halten, nachbereiten, vorbereiten. Dann Institutsarbeit und noch eine dringende Anfrage, die heute noch erledigt werden muss. Dauert etwa zwei Stunden hier erst mal Land zu sehen. Später noch Telefonkonferenz mit einer Arbeitsgruppe. Donnerstag: 3. Seminartag, aber heute ist eine Sitzung. Danach noch dringende Mails erledigen und telefonieren, außerdem noch was lesen. Freitag: letzter Seminartag. Ich bin entspannt. Seminar halten, nachbereiten. Forschungen öffnen und schreiben. Später noch Telefonkonferenz mit der Kolloquiumsgruppe zum Austausch über die Ergebnisse. Samstag: kurzer Arbeitsslot, dringende Schreibarbeiten erledigen, Powerpoint für Dienstag machen. Sonntag: Pause, bzw. nur das, was Lust macht, machen.

Aufgabenvielfalt und Aufgabendichte

Es wird relativ klar, dass meine Woche sehr voll ist. Dort die eigentlichen Prioritäten unterzubringen ist gar nicht leicht. Jede Woche läuft anders und je nachdem ob Semesterstart, -mitte, -ende oder vorlesungsfreie Zeit ist, auch wieder anders gelagert. Die Aufgaben sind vielfältig: Schreiben, lehren, Inhalte komprimieren z.B. auf Präsentationen, denken und strukturieren, gestalten im Institut, diskutieren und beraten mit Kolleg*innen, Unterstützung suchen bei Stillstand, lesen, Events organisieren, Beratung und Begleitung von Studierenden, Planen von zukünftigen Dingen wie Tagungen, Lehre, Forschung… Dabei befindet sich ein Großteil der Arbeit in einem stark konzentrierten Bereich. Also: sie lässt sich nicht einfach so neben einer Serie erledigen, sondern erfordert höchste Konzentration. Gerade das empfinde ich als besondere Herausforderung im Umgang mit meinem Alltag. Hinzu kommt ein gewisser positiver Druck, denn je mehr Zeit ich regelmäßig den Projekten widme, umso eher komme ich zu verdichteten Ergebnissen. Das ist toll, aber auch unfassbar anstrengend; spaßig wenn die Ergebnisse sichtbar sind, aber auch fordernd.

Kleiner Ausflug in meine Lebensrealität: Care-Tätigkeit und das eigene Selbst

Seit nunmehr sieben Jahren versuche ich in der Wissenschaft meine Arbeitszeiten zu definieren. Da ich lange Zeit alleinig Care-tätig war, waren die Arbeitszeiten für mich relativ klar: Kinderbetreuungszeiten umfassen die freien Zeiten für Lehre, Forschung und Organisation. Die Bedarfe von Kindern verschieben sich jedoch und meine tatsächlich auch. Und Corona verschiebt noch mal alles andere. Lange Rede, kurzer Sinn: ich möchte/muss/darf/kann (je nach Aufgabe) mehr arbeiten als die Kinderbetreuungszeiten umfassen. Kleiner Hack: ein Partner, der sich mit mir die Care-Arbeit hälftig teilt. Dennoch muss ich das Feld zwischen mir als Wissenschaftlerin und Lehrende, wie auch das als Privatperson anhaltend neu arrangieren und ausloten. Die Balance muss immer wieder neu gefunden und reflektiert werden. Dies erfordert viel Mühe und Zeit, die nicht jede Person zur Verfügung hat, was dauerhaft strukturelle Lösungen erfordert. Wie diese aussehen, habe ich noch nicht herausfinden können… ihr vielleicht?

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